die Leibschneiderin
Ich fand meinen Weg zur Schneiderei schon sehr früh in meinem Leben.
Meine Grossmutter war eine begnadete Hobbyschneiderin und nähte mit einer sogenannten Störschneiderin die Kleider für ihre Kinder. Sie hat sich auch ihre Tracht mit Hilfe einer Schneiderin selbst genäht. Nun ist diese Aargauer «Wärchtigstracht» in meinem Besitz, was mich sehr stolz macht.
Auch meine Mutter hat mir das Nähen fast täglich vorgelebt. War alle Arbeit getan, setzte sie sich an die Maschine und nähte Kleider für uns. Manchmal lag am Morgen auch ein neues «Puppenkleidli» neben unseren Betten!
Meine Mutter hat sich selbst auch immer schöne Kleider genäht. Ich kann mich an einen Jupe aus Schweinsleder erinnern. Ich wünschte, all die tollen Kleider wären nicht in den Altkleidersack gewandert, sondern in meinen Schrank!
Das Nähen wurde mir sozusagen in die Wiege gelegt. Ich musste mich nicht lange mit der Frage quälen, was ich werden will. Ich wusste schon immer, dass ich eine Schneiderin bin.

Das Handwerk erlernte ich an der Kantonalen Schule für Berufsbildung (KSB) in Aarau. Im Anschluss qualifizierte ich mich für die Weiterbildung zur Theaterschneiderin an der Schweizerischen Fachschule für Mode und Gestaltung (Modeco) in Zürich. Damit eröffnete sich mir eine völlig neue Welt, voller Glitzer, Opulenz und Illusion.
Nach der Ausbildung habe ich meine erste Stelle am Luzerner Theater in der Herrenschneiderei angetreten. Hier musste ich zuerst einmal meine Erfahrung in der Damenschneiderei beiseite legen, um das Handwerk der Herrenschneiderei zu erlernen. Nach vier wunderbaren Saisons - so werden die Produktionsjahre am Theater genannt - trat ich eine Stelle bei Claudia Krebser an. Beinahe 20 Jahre war ich für sie tätig. Verantwortlich war ich unter anderem für das Nähen und Verarbeiten von anspruchsvollen Kleidern im Couture-Bereich der Damen- und Herrenbekleidung. Zuständig war ich auch für die Verarbeitungstechniken, deren Ablauf und Optimierung, für die Qualitätssicherung durch normierte Standards und deren Endkontrolle sowie der saisonalen Dekoration der Schaufenster. Auch im Verkauf und der Kundenberatung war ich gelegentlich tätig.
Mit grosser Freude und viel Enthusiasmus bin ich in die Selbständigkeit eingestiegen. Meine Arbeit macht mich glücklich. Gerne darfst du dich von mir anstecken lassen.
Barbara Kasper